Zu Hause geboren in Holland
Christine Eckert, Hebamme, Den Haag, Holland
Zunächst möchte ich meinen Kolleginnen vom Hebammenzentrum herzlich zum 10. Jubiläum gratulieren. Ich weiß, dass hier die Arbeit als freie Hebammen, die Hausgeburten begleiten, viel Einsatz, Überzeugung und Mut erfordert, da die Hausgeburt im Wettbewerb mit der medizinisch technischen Entwicklung, ihr Existenzrecht fast verloren hat. Ich wünsche den freien Hebammen auch in Zukunft viel Inspiration und Überzeugungskraft, sodass das Fest der Hausgeburt erhalten bleibt und die Hausgeburt wieder ihre Bedeutung gewinnt, auf dass Frauen weiterhin ihr Kind zu Hause gebären können.
Wie schwer es ist, verlorenes Gebiet wieder zurück zu erobern, sehen wir in den europäischen Ländern, wo die Hausgeburt mit wenigen Prozenten eine marginale Position bezieht, obwohl die Sicherheit der Hausgeburt inzwischen auch wissenschaftlich bewiesen ist.
In Holland ist die Situation glücklicherweise anders. Ungefähr ein Drittel aller holländischen Kinder werden zu Hause geboren. 1993 waren es 31% - konkret bedeutet das, dass über 60.000 Kinder zu Hause geboren wurden. Seit 1994 haben wir keine genauen Zahlen mehr über die Hausgeburt, da dies nicht mehr bei der Meldung der Geburt registriert wird. Aus anderen Statistiken kann jedoch hergeleitet werden, dass in den letzten Jahren der Anteil an Hausgeburten stabil um die 33% liegt. Mit diesem hohen Anteil ist Holland einsamer Spitzenreiter. Damit hat Holland eine ganz besondere Position unter den westlichen Industrieländern. In den letzen 30 Jahren hat sich im Bereich der Geburtshilfe so viel geändert. Schwangerschaft und Geburt wurden immer mehr medizinisch einverleibt. Das in Holland heutzutage ein anderes System der Geburtshilfe existiert hat seine Geschichte und Hintergründe.
Anfang der 60iger Jahre hatte Holland noch zirka 70% Hausgeburten. Der Trend der langsamen Abnahme hat allerdings schon in den 50iger Jahren begonnen.
In den 70iger Jahren gab es einen Umschwung. Von etwa 70% Hausgeburten stürzte der Prozentsatz bis auf 35%. Ein Hauptgrund für diese schnelle Abnahme war, dass Krankenhäuser den freien Hebammen ihre Türen für die poliklinische Entbindung öffneten. Freie Hebammen konnten nun ihre Klientinnen nicht nur zu Hause sondern auch im Krankenhaus unter eigener Verantwortung bei der Geburt begleiten. Und viel Hebammen meinten damit mehr Status und Ansehen in der Hierarchie des Gesundheitswesens zu bekommen. Sie realisierten dabei zu wenig, dass die Zulassung in den Krankenhäusern nicht so sehr aus Anerkennung der Fachmann(frau)schaft hervor kam, sondern aus viel eigennützigeren Motiven geboren war. Die Krankenhäuser brauchten Patientinnen, vor allem auch zum Unterrichtszwecke, zur Ausbildung von Ärzten und Krankenschwestern.
In den 80iger Jahren stabilisierte sich die Hausgeburt bei rund 36%. Diese Periode kann man am Besten als das Jahrzehnt, in dem der Streit um die Hausgeburt stattfand, bezeichnen. Hebammen, Frauen und Gynäkologen bezogen ihre Positionen. Über das holländische System und die Sicherheit der Hausgeburt wurde diskutiert und gestritten. Sowohl die Verfechter wie die Gegner probierten mit Untersuchungen ihre Überzeugungen und Vermutungen zu beweisen. In dieser Periode wurden Untersuchungen (Kloosterman) gemacht, die heute noch ihre positiven Auswirkungen auf die Geburtshilfe in der Hebammenpraxis haben. Durch gute Resultate unterstützt gingen Hebammen in dieser Zeit an die Öffentlichkeit, präsentierten sich selbstbewusster und unabhängiger, und probierten auf diese Weise ihr Image zu verbessern. Doch es verringerte sich der Anteil der Hausgeburten auf etwa 33%. Und dann in den 90iger Jahren: Der öffentliche Streit der beiden Lager war zu Ende und die Ära der friedvollen Koexistenz brach ab, wenn auch der Schein manchmal trügt, denn Gegner gibt es natürlich immer noch. Den Widersachern der Hausgeburt war der Wind aus den Segeln genommen worden. Untersuchungen und gute Resultate der holländischen Geburts- und Gesundheitsstatistiken bestätigten nämlich die Vorteile des Systems. Seit Mitte der 80iger Jahre notierten übrigens die Hebammen alle Handlungen die sie verrichten und es werden die Daten auf Landesebene im geburtshilflichen Register gespeichert. Mit diesen Daten konnte Einsicht verschafft werden, dass die Hebammen zu den günstigen Statistiken einen wichtigen Beitrag leisten.
Allgemein förderte dies die Zusammenarbeit zwischen Hebammen und Gynäkologen. Trotzdem wurde inzwischen das System weiter untergraben. Gestärkt durch das Vorbild der anderen modernen westlichen Länder, wurde in zunehmendem Maße die medizinische Technologie und Diagnostik eingeführt. In der öffentlichen Diskussion ging es um Fortschritt, Schutz vor Risiken. - Aber! - Eine große Rolle spielten jedoch die Themen, die man nicht beim Namen nannte. Themen wie Geld, Macht, Sicherung und Ausbreitung des Arbeitsfeldes der stark wachsenden Zahl der Gynäkologen. Kurz und gut, seit 1993 liegt der Prozentsatz bei 33%. Die Situation ist stabil, und in großen Städten ist sogar eine steigende Tendenz zu erkennen.
Nun stellt sich die Frage: Warum hat in Holland die Hausgeburt überlebt? Eine ganz wichtige Grundvoraussetzung ist die gesellschaftliche Gegebenheit, dass die Bevölkerung Vertrauen in das gängige Geburtshilfesystem hat, in dem die Hausgeburt fest verankert ist. Das Prinzip, dass Schwangerschaft und Geburt normale Prozesse und Ereignisse sind, dies Auffassung wird von breiten Schichten getragen. Frauen die sich für eine Hausgeburt entscheiden, werden nicht automatisch angegriffen. Da die Hausgeburt üblich ist, benötigen die Frauen keine besondere moralische Unterstützung wie hier in Österreich. Stark ausgeprägt ist dieses Grundvertrauen auf dem Land. Im Gegensatz zu dem was Sie vielleicht erwarten, entscheiden sich viel mehr Frauen auf dem Land - dort wo der Weg zum Krankenhaus im Notfall weiter ist - für eine Hausgeburt, während die städtische Schwangere, die die Klinik um die Ecke hat, öfter einer poliklinische Entbindung vorzieht. Auf dem Land wo im Durchschnitt etwa 44% zu Hause gebären, wird das Vertrauen in die eigene Kraft weitergegeben. Frauen haben direkte Vorbilder, denn die Mutter, die Schwester, die Freundin, die Nachbarin hat ihr Kind auch zu Hause bekommen.
Durch Selbstvertrauen wird automatisch auch die Einstellung zum Schmerz der Geburt geprägt. Warum sollte man es selbst nicht schaffen, wenn andere es auch geschafft haben?
Die eigene Vorstellung/Erwartung vom Schmerz der Geburt ist ein wichtiger Faktor. Das zeigte z.B. eine Umfrage unter holländischen und amerikanischen Frauen. Beide Gruppen wurden vor und nach der Geburt befragt. Die Holländerinnen erwarteten, dass die Geburt sicher nicht leicht sein wird, und dass der Wehenschmerz sicher heftig sein wird, dass sie aber wahrscheinlich keine Schmerzlinderung brauchen. Die Amerikanerinnen erwarteten fürchterliche Schmerzen und waren schon vor der Geburt überzeugt, dass sie eine Schmerzlinderung benötigten. Bei der Befragung nach der Geburt wurde deutlich, dass beide Gruppen in ihren Vorurteilen/Einschätzungen bestätigt wurden. Das heißt, gesellschaftliche Normen und Ansichten beeinflussen Erwartungen und Ängste, und die Norm will immer wieder bestätigt werden.
Dass das holländische Geburtshilfesystem allgemein Zustimmung und Vertrauen findet, ist in der heutigen Zeit, in der Schulmedizin und medizinische Technik stark im Vordergrund stehen, auch in Holland nicht so selbstverständlich wie es vielleicht erscheint. Vertrauen in diese Art der Geburtshilfe bedarf der Unterstützung und muss immer wieder neu verdient und gesichert werden.
Und letzten Endes muss die gute Qualität der Geburtshilfe mit guten Resultaten untermauert werden. Qualität muss sich nicht nur in zufriedenen Frauen sondern auch in einer niedrigen Erkrankungs- und Sterbeziffer bei den Neugeborenen und Müttern ausdrücken. Es stellt sich die Frage, warum Holland bis jetzt dem Druck der wachsenden medizinischen Interventionen bei Schwangerschaft und Geburt widerstehen konnte und die Hausgeburt einigermaßen sichern konnte.
Das holländische Geburtshilfesystem steht auf drei Hauptpfeilern, die essentiell sind für die Erhaltung der Hausgeburt.
1. Holländische Hebammen haben ihre eigene Autonomie sichern können - übrigens nicht ganz eigenständig, sondern mit Hilfe vom Staat und mit Hilfe von Hausärzten und Gynäkologen, die befürworten, dass die normale Schwangerschaft und Geburt vor unnötigen Eingriffen geschützt werden muss.
2. Holländische Hebammen arbeiten mit dem Selektionsprinzip von highrisk und lowrisk, und begrenzen sich in ihrer Arbeit auf den lowrisk-Bereich.
3. In Holland gibt es ein System der Wochenbettpflegeschwester, die den Hebammen bei der Hausgeburt hilft und die Wöchnerin im Wochenbett versorgt.
Autonomie, das Selektionsprinzip und die Wochenbettpflege, diese drei Pfeiler zusammen formen das Fundament für das holländische Geburtshilfewesen. Zusammen ergeben sie nämlich den Rahmen für eine qualitativ gute Geburtshilfe. Gute Hilfe, nicht nur auf medizinische, sondern auch auf psychosozialer Ebene. Und das schenkt Frauen und Männern/den KonsumentInnen das notwendige Vertrauen und Sicherheit. Die Hausgeburt ist in dieses Vertrauen integriert. Die Wechselwirkung zwischen guter Qualität und Vertrauen ist für die Erhaltung unseres Systems und für die Erhaltung der Hausgeburt unentbehrlich. Das gilt vor allem in der heutigen Zeit, in der die schwangere Frau eine mündige und kritische Konsumentin geworden ist, die für sich und ihr Kind das Beste will.
Um sich jedoch als Berufsstand gesellschaftlich gut manifestieren zu können ist Autonomie wichtig: Die holländische Hebamme hat ihren eigenen Kompetenzbereich - und kompetent sein, das heißt befugt sein, sachverständig, urteilsfähig, zuständig sein. Hebammen haben den ganzen Bereich: Pränatale Vorsorge, Geburt und Wochenbett liegen in der Zuständigkeit der Hebamme. Es fängt schon in der Ausbildung an. Die Hebammenausbildung ist in ihren Inhalten auf diese Autonomie zugeschnitten. Ein Drittel der Praktika wird in den Praxen bei den freien Hebammen absolviert. Die zukünftige Hebamme wird also in dieser Hinsicht auf die selbständige Funktion gut vorbereitet. In Holland arbeiten zur Zeit etwa 1550 Hebammen. 85% arbeiten als freie Hebammen. Nur 15% arbeiten im Krankenhaus und diese sind vor allem für die Ausbildung der Hausärzte und Hebammen zuständig. Der zweite Pfeiler von unserem System ist das Selektionsprinzip. Unser Selektionsprinzip zwischen high- und low-risk (niedrigen und erhöhten) Risikosituationen bedeutet, dass die Schwangere mit einem niedrigen Risiko in der ersten Schiene, das heißt von der Hebamme oder dem Hausarzt begleitet wird, und dass die Frau mit einem erhöhten Risiko von der Hebamme oder dem Hausarzt in die zweite Schiene, das heißt zum Gynäkologen überwiesen wird.
Hebammen und Hausärzte machen die Risikoselektion. Die Landesverbände der Hebammen und Gynäkologen und die Krankenkassen haben eine Indikationsliste mit Kriterien erstellt, die als Leitlinie fungiert. Ziel dieser Liste ist es, durch eine Risikoselektion optimale Begleitung während der Schwangerschaft und Geburt und im Wochenbett zu gewährleisten.
Optimal heißt jedoch nicht: je mehr Untersuchungen und Eingriffe vorgenommen werden, desto besser, SONDERN es heißt: Betreuung und Begleitung nach Maß: Fachärztliche Betreuung dann, wenn sie wirklich indiziert ist, und keine medizinische Einmischung, wenn dafür kein Grund vorliegt. Kurz und gut: die richtige Frau oder der richtige Mann am richtigen Ort. Von Untersuchungen wissen wir nämlich, dass jeder medizinische Eingriff ein Risiko birgt. Zum Beispiel kann die Einleitung der Geburt ohne objektiven Grund pathologische Geburtsabläufe produzieren, die der Mutter und dem Kind Nachteile bringen können. Oder ein anderes Beispiel: Dauer-CTG als Norm während der Geburt mit niedrigem Risiko erhöht die Kaiserschnittrate, und wir wissen, dass ein Kaiserschnitt Risiken hat. Bevor man einen Eingriff oder eine Untersuchung vornimmt, sollte sicher sein, dass die Vorteile davon größer sind als die Risiken. Wenn dazu die wissenschaftliche Grundlage fehlt, müssen medizinische Interventionen sicher nicht zur Norm gemacht werden und sollte man zurückhaltend damit sein. Das Gute an diesem System ist, dass es uns warnt, keine Sklaven von medizinischer Technik und von Automatismus zu werden. Auf diese Art und Weise nutzen wir die Vorteile der Technik UND nutzen wir vor allem die Vorteile, wenn die Frau aus eigener Kraft ihr Kind gebiert. Die Hebamme ist in ihrem Arbeitsbereich begrenzt auf den physiologischen, den normalen Bereich der Geburtshilfe. Und gerade deswegen - denke ich - können wir uns gegenüber den Gynäkologen behaupten. Die Hebamme hat die große Fachmannschaft, wenn es um die Begleitung der normalen Schwangerschaft und Geburt geht. Der Gynäkologe hat seinen Mehrwert NUR wenn Pathologie/Abnormales ins Spiel kommt.
Eine deutliche Gebietsbegrenzung mit guter Zusammenarbeit zwischen den beiden Berufsgruppen ist zum Vorteil der schwangeren Frau. Ich bin überzeugt, wenn Hebammen oder Gynäkologen sich auf das Arbeitsfeld des anderen begeben, wird das Normale mit der Pathologie-Brille gesehen und das Abnormale mit der Natur-Brille betrachtet, und beides endet in einem schlechteren Resultat/einer schlechteren Geburtshilfe. Mit dieser Gesundheitspolitik probiert man in Holland der fortschreitenden Medikalisierung und Hospitalisierung der normalen Schwangerschaft und Geburt Einhalt zu gebieten. Dass die von mir geschilderten Ausgangspunkte in der Geburtshilfe für die Erhaltung der Hausgeburt von größter Bedeutung sind, lässt sich erraten. Als Hebamme betrachte ich es als meine Aufgabe im Niedrig-Risiko-Bereich den natürlichen Verlauf der Schwangerschaft und Geburt zu schützen und zu fördern. Die Frau sollte in ihrer Autonomie unterstützt werden, ihr Kind wo sie will und wie sie will zu gebären. Die Geburt zu Hause ist dafür der beste Ort. Das Vertrauen in eine Geburt zu Hause beginnt bei der pränatalen Vorsorge. Bei der Vorsorge muss Raum für Fragen und Ängste sein. Das Wegnehmen von Vorurteilen, Aufklärung und relevante Information zur Vorbereitung der Geburt stärken das Selbstvertrauen der Frau aus eigener Kraft zu gebären. Frauen in meiner Praxis brauchen in der Schwangerschaft keine Entscheidung zu treffen, wo sie ihr Kind gebären wollen. Die Schwangere und ihr Partner können ruhig in die Schwangerschaft und in den Ort der Geburt hineinwachsen. Die Frau, die sich aus Angst schon früh in der Schwangerschaft für das Krankenhaus entscheidet, kläre ich über das Geburtshilfesystem und über die Vorteile der Hausgeburt auf. Ich erkläre ihr, dass Unsicherheiten normal sind. Der Partner wird bei dieser Vorbereitung einbezogen, denn wir wissen, dass der Partner eine entscheidende Rolle spielt. Oft ist der Partner ängstlicher und unsicherer und denkt, dass das Krankenhaus mehr Sicherheit bietet.
Ich mache deutlich, dass sie als schwangeres Paar und ich als Hebamme ein gemeinsames Hauptziel haben, nämlich eine gute Schwangerschaft und Geburt in der das Wohlergehen von Mutter und Kind an erster Stelle stehen, und dass der beste Ort für eine Geburt von den Gegebenheiten der Situation abhängt, die wir noch nicht wissen.
Ich spreche mit meinen Klientinnen darüber, was in ihrer Macht steht, den Geburtsverlauf positiv zu beeinflussen. Nämlich, dass eine vertraute Umgebung, wo nicht andere, sondern sie selbst bestimmt, wo sie sich frei bewegen kann und äußern kann, wo es warm ist, wo sie nicht gestört wird, wo sie sich zurückziehen kann, - dass eine solche Umgebung die Chance erhöht, dass sie normal und ohne Komplikationen gebiert.
Ich sage ihr, dass eine solche Umgebung die beste Bedingung schafft, den Adrenalinspiegel der gebärenden Frau niedrig zu halten. Und dass ein niedriger Adrenalinspiegel ein wichtiger Faktor ist, um gute kräftige Wehen zu bekommen und die körpereigenen Schmerzmittel (Endorphine) frei zu machen. Die Frau übernimmt damit auf ihrer Ebene eigene Initiative und Verantwortung für die Geburt. Die Hebamme tut das ihre auf ihrer Ebene, indem sie die Frau unterstützt, geduldig ist und darauf achtet, dass alles in Ordnung ist.
Ich will noch etwas zum dritten Pfeiler der holländischen Hausgeburt sagen. Die Wochenbettpflege ist von großer Bedeutung für die Hausgeburt. Während der Geburt hilft uns eine fachlich ausgebildete Schwester. Sie bereitet vor, sie reicht uns während der Geburt die Sachen, wäscht und versorgt die Frau nach der Geburt. Und nach der Geburt, wenn man sich zusammensetzt, sorgt sie für die Tasse Tee und den Zwieback mit Mäuschen. Das gehört in Holland zur Tradition, wenn ein Kind geboren ist. Die Mäuschen sind rosarot, auch wenn es ein Junge ist, und die Mäuschen sind aus Zuckeranis.
Alles, was ich bis jetzt erzählt habe klingt ganz ideal. Schade, die Wirklichkeit ist anders. In Holland herrscht ein großer Hebammenmangel. Die Hebammen sind meist zu stark belastet. Vielleicht ist das der Grund, warum die Überweisungsziffer zum Gynäkologen während der Geburt bei über 30% liegt. Ein häufiger Grund ist die Stagnation in der Eröffnungsperiode und in der Austreibungsphase. Vermutlich sagen dies Zahlen nicht nur etwas über die heutigen Frauen aus, sondern auch über die Arbeitsweise (Geduld) der Hebammen. Die Norm für das Einkommen einer freien Hebamme in Holland ist auf 150 Geburten festgelegt. Das bedeutet harte Arbeit, viel Bereitschaftsdienst, lange Sprechstunden für relativ wenig Geld. Viele junge Hebammen können den Arbeitsdruck nicht mit der Familie kombinieren und hören vorzeitig auf.
Dasselbe gilt für die Wochenbettpflege, schlecht bezahlt und ein großer Personalmangel.
Dass ich diese negative Seite erwähne hat ein Motiv. Ich bin überzeugt, dass wir nicht nur über die Inhalte der Geburtshilfe nachdenken müssen, sondern ebenso unsere ökonomische Arbeitsposition verbessern müssen. Indem wir auch diesem männlichen Aspekt unseres Berufes einen großen Stellenwert beimessen, kann die Hebamme auch in Zukunft das Fest der Hausgeburt mitgestalten.