Texte rund um die Hebammenarbeit | Der Beckenboden
Katharina Kreindl, Hebamme
Ich lade dich ein zu einer Reise ins Innere deines Körpers. Wir werden mehrere Expeditionen zu unserem Beckenboden unternehmen. Die Erkundungen werden zeigen, welche Koordinaten er in unserem Körper hat, wie er aufgebaut ist, welche Aufgaben er erfüllt und wie wir gut mit ihm zusammenleben können. Wir wollen den Beckenboden wahrnehmen, bewusst spüren, im Alltag richtig einsetzen, trainieren und entspannen.
Der Beckenboden ist ein Muskel, der die Öffnung des knöchernen Beckens nach unten ausfüllt. Dieser Muskel ist in drei verschiedenen Schichten aufgebaut, welche mit Bindegewebe durchzogen sind. Sie sind in Längs- und Querrichtung im knöchernen Becken fixiert - hauptsächlich an den Sitzbeinhöckern, dem Schambein und dem Steißbein.
Setz dich auf einen harten Sessel. Die Beine sollten gut am Boden stehen und etwa hüftbreit voneinander positioniert sein. Versuche langsam zu spüren, welche Punkte deines Körpers auf der Sitzfläche wahrzunehmen sind. Richtig, du spürst deine zwei Sitzbeinhöcker. Schaukle nun im Sitzen leicht von vorne nach hinten, so spürst du sie noch intensiver.
Wenn du das nächste Mal nach hinten rollst, versuche, dein Steißbein wahrzunehmen. Du kannst dich auch auf deine Hand setzen, das unterstützt dich dabei, diese Koordinate des knöchernen Beckens zu erspüren.
Beim nach vorne Rollen: spürst du dein Schambein? Vielleicht hilft es dir, es zu ertasten. Nimm beide Hände und lege sie, wenn du willst, auf die obere Kante des Schambeins, deinen Venushügel. Von dort taste dich langsam nach unten. Plötzlich spürst du keinen Knochen mehr? Jetzt hast du die Unterkante des Schambeins erreicht.
Zwischen diesen vier Koordinaten ist dein Beckenboden fixiert. Du weißt jetzt, wo dein Beckenboden liegt.
Aber was sind denn nun seine Aufgaben? Diese Frage lässt sich einfach in wenigen Punkten beantworten, wir werden aber immer wieder auf neue Funktionen unseres Beckenbodens stoßen.
Der Beckenboden
- trägt die Organe (Harnblase, Gebärmutter und Mastdarm) im kleinen Becken und hält sie in ihrer richtigen Position
- ermöglicht eine kontrollierte Ausscheidung (Kontinenz - Harn und Stuhl)
- entspannt und öffnet sich beim Geschlechtsverkehr und natürlich auch bei der Geburt
- reagiert reflektorisch mit Gegenhalt - wenn wir Druck in unserem Bauchraum aufbauen, wie etwa beim Niesen, Husten oder Hüpfen, federt er den Druck nach unten ab
- verhilft uns zu einer guten Haltung
- ermöglicht eine gut gelebte Sexualität und die Orgasmusfähigkeit
Jetzt wollen wir versuchen, den Beckenboden wahrzunehmen. Das Erspüren kann längere Zeit brauchen, nimm sie dir und erfreue dich an der wachsenden Wahrnehmung dieses versteckten Muskels.
In der folgenden Übung schenken wir unsere Aufmerksamkeit der äußeren Schicht unseres Beckenbodens. Sie liegt direkt unter unserer Haut und verläuft wie eine Achterschlaufe rund um Scheide und Harnröhre (U-Muskel inkl. Harnröhrenschließmuskel) und um den After (Afterschließmuskel). Am Damm treffen sich U-Muskel und Afterschließmuskel und bilden das Muskelhalterkreuz.
Ihre Funktion ist das Öffnen und Schließen der entsprechenden Körperöffnungen, beim Harnlassen und Stuhlgang, beim Sex und der Geburt. Diese Muskelschicht können wir unabhängig von den zwei weiteren Schichten des Beckenbodens trainieren.
Setze dich für die Wahrnehmungsübung auf einen Sessel, so dass du deine Sitzbeinhöcker gut spüren kannst - die Fußsohlen am Boden und die Zehen leicht nach außen gerichtet. Der Rücken ist gerade, die Schultern fallen locker nach hinten unten. Stelle dir vor, dass du eine Krone auf dem Kopf hast, so sitzt du gerade.
Jetzt atme tief in den Bauch, vielleicht willst du dafür die Hände auf deinen Bauch legen, damit du wirklich spüren kannst, wie er beim Einatmen groß und beim Ausatmen wieder klein wird. Am besten atmest su durch die Nase ein und durch den Mund aus.
Geh mit deiner Konzentration zu deinem Afterschließmuskel. Stell dir vor, dass du im Kino sitzt und zu Mittag einen Bohneneintopf gegessen hast. Du hast Blähungen, die am liebsten ihren Weg nach draußen finden wollen. Du aber willst im Kino nicht so einfach furzen. Was machst du in dieser Situation? Du spannst automatisch den Afterschließmuskel an! Wenn du den Muskel gefunden hast, spanne diesen ein paar Mal an.
Danach atme tief ein und aus, achte auf die Bauchatmung. Einmal seufzen, damit entspannt sich der Beckenboden gut.
Im nächsten Schritt stell dir vor, dass du ein kleines Schwämmchen in deiner Vagina hast und du willst es ausdrücken. Wenn du den Muskel entspannst, darf das Schwämmchen sich mit Flüssigkeit vollsaugen, wenn du den Muskel anspannst, dann drückst du es wieder aus. Dabei spürst du den U-Muskel und auch den Harnröhrenschließmuskel vorne beim Schambein.
Nun atme wieder ein paar Mal tief ein und aus. Seufzen.
Warum ist es wichtig, dass wir die unterschiedlichen Muskeln wahrnehmen? Jeder dieser Muskeln hat verschiedene Aufgaben, und somit wollen wir jeden bewusst spüren und bewusst trainieren.
Diese Übung soll eine Einladung sein, sich mit dem Beckenboden vertraut zu machen. Viel Spaß beim langsamen und interessierten Erforschen!
Wer sich intensiver damit beschäftigen will, hat die Möglichkeit dazu in diversen Kursen, gezielten Vorträgen und persönlichen Beratungen.
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